Cycling season
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Recycling und das Rad

Die Tour de France, das berühmteste Fahrrad Rennen der Welt, hat gerade Anfangs Juli begonnen. Die neue Generation macht bisher einen starken Eindruck: furchtlos, unkonventionell und zukunftsorientiert. Inspirierend für uns alle! 

Radfahren ist auch eine angenehme und gesunde Art, sich in der Stadt und auf dem Land zu bewegen, natürlich mit einem hervorragenden ökologischen Fußabdruck. Die Förderung des Radfahrens scheint auch etwas zu sein, auf das sich alle einigen können. Und witzigerweise gilt das auch für das Recyceln.

Re-cycling

Ich wurde wahrscheinlich genauso erzogen wie Sie, und dachte, es sei das Richtige, den Abfall zu sortieren. Ich warf das Aluminium in eine farbige Tonne, das Plastik in einen anderen Behälter, Lebensmittelabfälle in den Kompost, wenn es einen gab, und kümmerte mich dann nicht mehr darum. Ich hatte der Seelenfrieden, der sich aus einer gut erledigten Umweltaufgabe ergibt, und ein reines Gewissen. 

Ich halte mich auch für ziemlich resistent gegen Marketing und billige Werbetricks. Und ich habe diese ökologische Einstellung, die mir hilft, Produkte von Marken zu wählen, die sich für die Umwelt einsetzen. Ist es nicht schön, verantwortungsvoll mit den wunderbaren Dingen umzugehen, die unsere moderne Welt zu bieten hat. Ich werde die Verpackung auf angemessene Weise entsorgen und das Produkt selbst recyceln, wenn ich es nicht mehr brauche.

Aber nachdem ich ausführliche Artikel gelesen und viele gut dokumentierte Berichte über das Kunststoffrecycling gesehen habe, musste ich meine Sichtweise ziemlich ändern.

Plastik geht nicht im Kreis

Was sind die Probleme beim Recycling? Für Materialien wie Glas, Papier, Aluminium und natürlich kompostierbare Abfälle, die alle ziemlich kreislauffähig sind, ist es sehr sinnvoll. Aber bei Kunststoffen ist es nicht so einfach. Obwohl praktisch alle Kunststoffe potenziell recycelt werden könnten, passiert es für die meisten nicht. Das Verfahren ist nämlich teuer und kompliziert, das entstehende Produkt von geringerer Qualität als das, was man verwendet hat, und es auch noch mehr kostet, als wenn man neues Plastik brauchen würde. Auch die Vorteile bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes sind weniger eindeutig. Das Plastik wird verschifft, muss gewaschen, zerkleinert und wieder eingeschmolzen werden, so dass auch das Sammeln und Recyceln selbst negative Auswirkungen auf die Umwelt hat.

Downcycling

Das Hauptproblem ist jedoch, dass wir mit dem Sammeln und Wiederaufbereiten von Kunststoffen seine Entsorgung nur hinauszögern. Die endgültige Bestimmung für alle Kunststoffe ist entweder eine Mülldeponie, wo sie sich nicht zersetzen oder in die Erde und die Gewässer gelangen, oder eine Verbrennungsanlage, wo sie bei der Verbrennung schädliche Chemikalien freisetzen. "Downcycling" wäre wirklich ein treffenderer Begriff als Recycling, wenn es um Kunststoff geht! Durch die Verwendung von Produkten, die aus wieder geschmolzenen Polymeren hergestellt werden, führen wir der Welt und der Umwelt einfach wieder Kunststoffe zu.

Wie Dr. Luke Haverhals[1] es ausdrückt: "Die Menschheit wird das Plastikproblem niemals durch Recycling lösen können. Kunststoffe werden nie « zirkular » genug sein."

Die Industrie am Ruder 

Interessanterweise weist eine Studie des Guardian-Journalisten Stephen Buranyi[2] darauf hin, dass eigentlich das Konzept des Recyclings von der Erdöl- und Plastikindustrie stark vorangetrieben wurde. Bereits in den 1970er Jahren gab es eine starke Bürgerbewegung gegen die Plastikverschmutzung, vor allem in den USA, die zu Gesetzesvorschlägen gegen die Verwendung von Einwegverpackungen und Gegenständen führte. Die Industrie hat sich jedoch von Anfang an hart und leider erfolgreich gegen alle Gesetzesvorschläge gewehrt.

Eine lose Allianz aus Öl- und Chemieunternehmen sowie Getränke- und Verpackungsherstellern verfolgte daraufhin eine zweiteilige Strategie, die die Anti-Plastik-Stimmung für eine Generation erfolgreich entschärfen sollte. Der erste Teil der Strategie bestand darin, die Verantwortung für Müll und Abfälle weg von den Unternehmen auf die Verbraucher zu verlagern. Der zweite Teil bestand darin, sich für eine damals relativ neue Idee stark zu machen: das Recycling in den Haushalten. Und genau da sitzen wir heute noch fest...

Roland Geyer, der Industrieökologe der Universität von Kalifornien, dessen Bericht « Production, Use and Fate of All Plastics Ever Made »[3] aus dem Jahr 2017 zu einer wegweisenden Referenz geworden ist, sagte kürzlich in einem Interview, er sei "zunehmend davon überzeugt, dass Recycling einfach nicht funktioniert, um die Menge an Plastik in der Umwelt zu reduzieren".

Geh biken

Es gibt mit Sicherheit verschiedene Wege, die uns aus dieser Plastikwirtschaft herausführen könnten. Aber das, was mir am ehesten einfällt und mir in den Sinn kommt, ist ganz einfach die Verwendung natürlicher und vollständig biologisch abbaubarer Materialien in allen Produkten, bei denen dies möglich ist. Man könnte meinen, dies sei ein technologischer Rückschritt. Das glaube ich nicht: Wir sehen immer häufiger, dass die Hersteller neue Technologien mit Naturfasern einsetzen, die ihnen gleichgute oder bessere Qualitäten verleihen als Kunststofffasern. Der Kreis schließt sich: wir erfinden sozusagen das Rad neu, und damit können wir uns vorwärtzbewegen und gleichzeitig die Plastikverschmutzung beseitigen.

Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es richtig ist, meinen Müll zu sortieren. Auch angesichts des erheblichen Fortschrittspotenzials des gesamten Prozesses. Also werde ich dies auch weiterhin tun. Was ich allerdings anders machen werde, ist zu versuchen, den Kauf von Plastikprodukten von vornherein zu vermeiden.

Wenn ich mich auf meine Radtour am Sonntagnachmittag vorbereite, wird es - vorerst - schwierig sein, auf die synthetischen Teile meines Helms oder meiner Reifen zu verzichten. Ich kann aber Kleidungsstücke tragen, die aus Naturfasern hergestellt sind. Auch wenn ich nicht auf das gelbe Trikot und ein Rekordtempo auf dem Mont Ventoux abziele, so ist die Fahrfreude am Drehen von Beinen und Rädern genauso hoch!

 

[1] Gründer von Natural Fiber Welding, einem Unternehmen, das natürliche und biologisch abbaubare Polymere entwickelt

[2] Stephen Buranyi (2018). The plastic backlash: what's behind our sudden - and will it make a difference. The GuardianHier verfügbar

[3]Geyer, R., Jambeck, J. R., & Law, K. L. (2017). Production, use, and fate of all plastics ever made. Science advances, 3(7), e1700782. Hier verfügbar

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