Recycling the Problem
Recycling the Problem

Ein kritischer Blick auf Kunststoffrecycling

Historische Verhandlungen zur Schaffung des Globalen Plastikabkommens – eines rechtsverbindlichen Abkommens zur Beendigung der Plastikverschmutzung – sind im Gange. Unter den vorgeschlagenen Lösungen ist das Recycling nach wie vor eine der am meisten unterstützten. Doch gerade beim Kunststoffrecycling existieren gravierende Missverständnisse.

Wir, Mover Plastic Free Sportswear, nehmen diese Veranstaltung zum Anlass, um die weit verbreitete Illusion des Kunststoffrecyclings kritisch zu hinterfragen. Statt als Lösung wird Recycling häufig als Feigenblatt für die ungebremste Produktion neuer Kunststoffe missbraucht.

Die Recycling-Illusion: Ein System, das nicht funktioniert

Entgegen der allgemeinen Annahme ist Kunststoffrecycling kein geschlossener Kreislauf. Vielmehr verschlechtert sich mit jedem Recyclingzyklus die Materialqualität, wodurch Kunststoff oft bereits nach einer oder zwei Wiederverwendungen endgültig entsorgt wird – durch Verbrennung, Deponierung oder unkontrollierte Freisetzung in die Natur. Tatsächlich werden weniger als 10% des weltweit produzierten Kunststoffs nachhaltig recycelt.[1]

Recycling als Vorwand für Neuproduktion

Die petrochemische Industrie nutzt Recycling als Marketinginstrument, um den fortwährenden Verbrauch von fossilen Ressourcen zu rechtfertigen. Solange Kunststoffrecycling als vermeintliche Umweltlösung propagiert wird, steigt die weltweite Kunststoffproduktion kontinuierlich weiter an. Statt das Problem zu reduzieren, wird es so nur verschärft.

Mikro- und Nanoplastik: Unsichtbare Gefahr für Mensch und Umwelt

Ein weiterer oft übersehener Aspekt ist die Entstehung von Mikro- und Nanoplastik beim Recyclingprozess. Jeder Prozess der Zerkleinerung, Fragmentierung oder des Recyclings von Kunststoff setzt Mikro- und Nanoplastikpartikel frei, die besonders besorgniserregend sind:

  • Diese winzigen Partikel dringen in menschliche Zellen ein, erreichen das Gehirn und lebenswichtige Organe und stören das Hormonsystem.

  • Sie bedrohen alle Lebewesen, beeinträchtigen lebenswichtige Körperfunktionen und verursachen langfristig schwere Krankheiten.

  • Jede weitere Fragmentierung setzt hochgiftige Chemikalien wie PFAs, Phthalate und Bisphenole frei. Diese "Ewigkeitschemikalien" sind extrem schädlich, nicht abbaubar und stören unser Hormonsystem.

  • Aufgrund ihrer mikroskopischen Größe können sie nicht rückgewonnen werden. Einmal in Luft, Wasser oder Boden gelangt, verbleiben sie dort über Jahrhunderte und belasten unsere Umwelt dauerhaft.

Recycelter Kunststoff: Oft toxischer als Neuware

Um die Qualität von recyceltem Kunststoff zu verbessern, werden chemische Zusätze wie Farbstoffe, Stabilisatoren und Flammschutzmittel verwendet. Dies führt dazu, dass recycelter Kunststoff oft genauso oder sogar stärker toxisch ist als neuer Kunststoff. Anstatt die Umweltbelastung zu verringern, führt Recycling zur verstärkten Anreicherung schädlicher Substanzen in unserer Umwelt.

Biokunststoffe: Die trügerische Alternative

Biokunststoffe werden oft als umweltfreundliche Lösung vermarktet. Doch auch sie benötigen problematische chemische Zusätze, setzen Mikroplastik frei und sind oft nur unter speziellen industriellen Bedingungen kompostierbar. Ihre vermeintliche Nachhaltigkeit hält einem näheren Blick nicht stand.

Die Kunststoffindustrie hat gelogen und ganze Generationen einem schleichenden Gift ausgesetzt. 

Die Plastikindustrie hat nicht nur eine Illusion erschaffen, sondern auch die Verbraucher bewusst in die Irre geführt. Durch die gezielte Verschleierung der wahren Folgen der Kunststoffproduktion trägt sie massiv zur Umweltverschmutzung und globalen Gesundheitsrisiken bei.

Ein besonders schockierendes Beispiel: ExxonMobil wurde kürzlich vom US-Bundesstaat Kalifornien verklagt, weil das Unternehmen nachweislich die Gefahren von Kunststoff und seinen chemischen Zusätzen verschwiegen hat. Anstatt die Öffentlichkeit zu warnen, produziert der Gigant  weiterhin Milliarden Tonnen von Plastik, obwohl längst bekannt war, welche verheerenden Auswirkungen das auf Mensch und Natur hat. Oder die Firma W.L. Gore & Associates, die vor kurzem in den Vereinigten Staaten in einer Sammelklage verklagt wurde, weil sie in ihren Gore-Tex®-Produkten für technische Kleidung, Schuhe, Handschuhe usw. absichtlich weiterhin PFAS (Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen) verwendet.

Recycelte Sportkleidung wirkt gegen dich

Für umweltbewusste Konsument:innen ist es nicht leicht, sich im Dschungel des Greenwashings zurechtzufinden. Schlagworte wie „Ocean Plastic“, „umweltfreundliche Synthetics“ oder „recycelte Performancewear“ versprechen Nachhaltigkeit, doch ihre chemische Zusammensetzung erzählt eine andere Geschichte.

Die gleichen Chemikalien, die Kunststoffbekleidung funktional machen, machen sie auch giftig. Mit jedem Recyclingzyklus kommen neue, unregulierte Stoffe hinzu.

Je mehr du darin schwitzt, desto mehr nimmst du auf. Schweiß verbindet sich mit den Mikroplastikpartikeln, die deine Kleidung ständig abgibt, und erleichtert so die Freisetzung chemischer Substanzen direkt auf deine Haut und in deinen Körper[2].

Das ist der Widerspruch von recycelter Kunststoff-Sportkleidung: Sie wirbt mit Gesundheit, während sie sie untergräbt durch direkten Hautkontakt, und durch ständige Schadstoffabgabe an die Umwelt.

Der notwendige Wandel: Verzicht statt Recycling

Die einzig sinnvolle Alternative besteht darin, Materialien neu zu denken – minimalistisch, regenerativ, biologisch abbaubar und ungiftig. Wer Plastik recycelt, verlängert seine Giftwirkung. Die wahre Herausforderung und der einzige Weg zur nachhaltigen Veränderung liegt in der drastischen Reduzierung unseres Plastikverbrauchs. 

Als Einzelne können wir uns anders entscheiden – aber nur, wenn wir echte Alternativen erhalten und befähigt werden, sie zu wählen. Plastik lässt sich nicht überall sofort ersetzen, doch wir haben längst die Mittel, um unsere Grundbedürfnisse neu zu denken – beginnend mit der Art, wie wir uns bewegen.

[1] OECD (2022), Global Plastics Outlook: Policy Scenarios to 2060, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/aa1edf33-en.
[2] Ovokeroye A. Abafe, Stuart Harrad, and Mohamed Abou-Elwafa Abdallah
Environmental Science & Technology 2023 57 (29), 10554-10562,
https://doi.org/10.1787/aa1edf33-en.

Weitere Lektüre