Klimaveränderung
Es gibt einen Riss in allem
Über Mitteleuropa ergießt sich in diesem Sommer Regen in noch nie da gewesenen Mengen. Dicht. Tropisch. Exzessiv. Das heizt natürlich die aktuelle Diskussion über den Klimawandel, seine Definition und seine Folgen, an.
Nasse Musik
Ich erinnere mich an ziemlich nasse Sommer in meiner Jugend, die uns nur selten sehr lange, durchwegs sonnige Tage beschert haben. Aber ich glaube, dass es nicht so extrem regnete oder so heiß war, wie es in letzter Zeit der Fall war.
Wenn es regnet, höre ich gerne Oldies. Vielleicht war es damals tatsächlich regnerischer, und ich habe mich instinktiv von den emotionalen Wellen meines damaligen Gemütszustands treiben lassen. Vor kurzem drehte ich die Lautstärke eines Liedes des großen kanadischen Barden Leonard Cohen auf. Es war "Anthem" von dem Album "The Future" aus dem Jahr 1992. Vielleicht nicht mein Lieblingslied von Cohen, aber sicherlich eines der kraftvollsten Gedichte, die er je geschrieben hat! Ich bin sicher, du hast es schon einmal gehört:
Es gibt einen Riss, einen Riss in allem.So kommt das Licht rein…
Man kann diesen Satz auf so viele unterschiedliche Arten lesen, aber es bringt immer diese tröstlichen Gedanken mit sich: dass die vollkommene Perfektion kein Ziel ist, dass das Scheitern Teil unserer menschlichen Natur ist und uns nicht zerstört, sondern uns weiterbringt. Eine Botschaft der Hoffnung in einer Welt, die damals noch nicht so stark von Umweltproblemen bedroht war.
Das bringt mich direkt zum Thema: Einer dieser Risse ist, im wahrsten Sinne des Wortes, das Ozonloch. In den 90er Jahren machte das Ozonloch 11 % der schützenden Erdatmosphäre aus und ließ neben Licht auch extrem schädliche ultraviolette Strahlen hindurch. Aber es brachte auch die Länder der Welt zusammen, um an Lösungen zu arbeiten. Diese Lösungen ebneten den Weg für das Montreal Protokoll, das erste internationale Abkommen in der Geschichte der UNO, das von allen Nationen unterzeichnet wurde. "Ein Meilenstein für alle Menschen und unseren Planeten".[1] Seitdem hat sich die Ozonschicht weitgehend erholt.
Von Posie bis zu Keramik
In der alten japanischen Kunst Kintsugi werden zerbrochene Töpferwaren mit einem Goldpuderlack repariert, wodurch das Objekt sogar schöner erscheint wie es vorher war. In ähnlicher Weise hat die Bedrohung durch die Ozonschicht die Einheit und die Verletzlichkeit der Menschheit sichtbar gemacht - und hat sie verbessert. Es wäre schön, wenn wir mehr Vereinbarungen wie diese treffen könnten, die die unterschiedlichen Gesellschaften zusammenbringen, um die Erholung unserer empfindlichen Ökosysteme zu unterstützen. Die Bewältigung der anhaltenden Plastikflut wäre sicherlich ein dringendes Beispiel.
In unserer Produktionswelt sind Naturfasern im Gegensatz zu Kunstfasern auch der Ort, an dem ich gerne die Art von Rissen sehe, die uns etwas Licht bringen könnten. Schau dir dafür nur die Schönheit eines vergrößerten Wollgarns im Mikroskop an: spiralförmige Strukturen, die sich in entgegengesetzte Richtungen drehen. Zacken, Kräuselungen, Locken, Unregelmäßigkeiten. Faszinierend, und ganz im Gegensatz zu der sich ständig wiederholenden, einfallslosen und gleichförmigen Struktur synthetischer Stoffe. Diese gleichmäßige Oberfläche ist Plastik, und ihre "Perfektion" macht sie auch nahezu unzerstörbar. Sie wird, wo auch immer sie schlussendlich ihr brauchbares Leben endet, immer Plastik bleiben.
Ich stelle mir gerne vor, dass die mikroskopische Struktur der Materialien, die wir in der Natur finden und verwenden können, einen Riss enthält, der sie biologisch abbaubar macht. So kommt das Licht herein! Fast schon poetisch, oder.
Das Wetter hat sich aufgeheitert, und meine Playlist spielt jetzt nach der düsteren Stimme von Leonard einige jazzige Melodien. Sie passen besser zu luftigen Tagen mit ein bisschen Sonnenschein und flauschigen Wolken. Aber ob trocken oder nass, ich werde immer einen besonderen Platz in meinem Herzen für Anthem und seine seltsame, aber wunderschöne Wahrheit bewahren.
[1] Antonio Guterres, UNO Generalsekretär, 2017.