Psychedelics of Plastics Pt. 2
Psychedelics of Plastics Pt. 2

Psychedelika des Plastiks – Teil 2

Die guten alten Zeiten 

Die Nachkriegszeit war eine Ära großer Begeisterung. Pocken wurden offiziell für ausgerottet erklärt. Die verheerendsten Konflikte der Menschheitsgeschichte waren vorbei, und die Zukunft sah vielversprechend aus. Aus den Trümmern der alten Welt erhoben sich neue Werkzeuge, bereit, sich in Anzüge zu kleiden und den Wiederaufbau zu beginnen. Unter diesen Werkzeugen befand sich auch das vielseitige Plastik.

Interessanterweise begann die Plastikforschung Ende des 19. Jahrhunderts, um einen Ersatz für Elfenbein zu finden, um Elefanten vor Wilderern zu schützen. Auf der Suche nach einem Ersatz für Elfenbein synthetisierte der amerikanische Erfinder Hyatt das erste Plastik aus Zellulose. Zelluloid fand vielseitige Anwendungen und wurde für viele Gegenstände genutzt, nicht nur für Schachfiguren und Klaviertasten. Das Material war allerdings stark auf die Baumwoll-Versorgung angewiesen. Das wahre synthetische Plastik musste noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen. Ein paar Jahre später wurde Bakelit entwickelt. Bakelit, bekannt als das schwarze Auge der Wählscheibentelefone, wurde für die Industrie unverzichtbar. Mit stabilen Chemikalien hergestellt, veränderte dieser neuartige Kunststoff die Welt. 

Während Hyatt sich über das Zelluloid-Rezept den Kopf zerbrach, kämpften AktivistInnen in violetter Kleidung für die Emanzipation der Frauen. Diese Bewegung ermöglichte es Frauen, einen Platz auf dem Arbeitsmarkt zu sichern. Frauen erledigten von da an nicht nur Haushaltsaufgaben, sondern arbeiteten in Bürojobs und vielen mehr. Das von nun an recht aktive Leben war der zerbrechlichen, kostbaren Seide der Unterwäsche nicht mehr gewachsen. Die moderne Frau benötigte nun etwas für den Alltag taugliches und kostengünstiges; angepasst an den nun etwas hektischen Lebensstil. Genau zu diesem Zeitpunkt, machte Nylon in der Textilindustrie sein Debüt. Gleichzeitig eröffnete Plexiglas aus der Fahrzeugverglasung neue architektonische Möglichkeiten. Immer mehr Kunststoffe traten auf den Markt und schufen ein neues Arsenal. Im Zweiten Weltkrieg wurde Plastik zunehmend in der Luftfahrt eingesetzt, während es im Kalten Krieg für den Einsatz im Weltraum weiterentwickelt wurde. Durch seine Verwendung in Raumfahrzeugen und Schutzanzügen wurde Plastik nun endgültig unverzichtbar.

Stille Helfer

Im Laufe der Jahrzehnte wurden Kunststoffe perfektioniert und sind nun unverzichtbar für unser Leben. Sie ermöglichen die Eroberung neuer Räume und sind zusammen mit Ölen die Hüter unseres exponentiellen Zeitalters. Kunststoffe haben im Stillen gewirkt und dabei unauffällig jede kleine Unannehmlichkeit aus dem Weg geräumt. Dies führte jedoch zu schlecht erzogenen Kindern. Wir sind ungeduldiger geworden und neigen zu Selbstzweifel. Wir glauben nicht, dass menschliche Ingenieurskunst und die Gaben der Natur ausreichen, um Innovationen zu schaffen. Heute scheint es undenkbar, Plastik aus unseren technologischen Neuheiten wegzudenken. 

Das Tempo des menschlichen Lebens hat sich stark erhöht, und unsere Mobilitäts-Reichweite ist größer geworden. Wir haben große Fortschritte gemacht, indem wir die Schallmauer durchbrochen und extrem schnelle, öl-betriebene Fahrzeuge entwickelt haben. Früher war die Entfernung zwischen Orten ein wichtiger Faktor, der unser Zeitgefühl bestimmte. Große Entfernungen schienen uns endlos. Heute hat der Einsatz von fossilen Brennstoffen unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit verändert, da wir Entfernungen viel schneller überwinden können. Die Schweizer wissen es aus Erfahrung; die Berge, die sie als Nationalstolz sehen, waren einst auch ihre unüberwindbaren Gefängnisse. 150 Jahre und zwei Tunnel später ist das, was die Vorfahren Wochen harter Arbeit und tödlicher Gefahren gekostet hat, nur noch eine kurze Fahrt. Dank Flugzeugen und Benzinmotoren ist das Ausland nur noch wenige Stunden oder sogar Minuten entfernt.

Das Laufband

In dieser neu gestalteten Welt ist alles innerhalb von Minuten erreichbar. Doch jeder Schritt entfernt uns weiter von dem, was wir wirklich brauchen. Gegen alle Widrigkeiten laufen wir der Zeit hinterher. Zwischen jedem hart erkämpften Atemzug essen wir Fast Food, tragen Fast-Fashion und fahren schnelle Autos. Alles, um uns von der Angst zu befreien, zurückgelassen zu werden. Öl, in seinem verheerenden Einfallsreichtum, bietet alle möglichen Plastik-Lösungen: leichte Verpackungen, Tüten und billige Fäden. Und wir, als große Optimierer, haben es wegwerfbar gemacht, was die Last verringert, um sich um kleine Dinge kümmern zu müssen. So können wir unsere Energie auf die Beschleunigung konzentrieren und weiterhin auf das Gaspedal drücken. 
Wenn wir uns fragen, was ein gutes Leben ausmacht, sollten wir nicht überrascht sein, wenn wir feststellen, dass Plastik eine wesentliche Rolle bei der Antwort spielt.

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